enigma-line 4005


© Reinhard Brunsch

Der enigma-line 4005


Schon in meinen studentischen Zeiten war ich ein glühender Anhänger von HiFi-Elektronik aus dem Vereinigten Königreich, die so ganz anders war als die üblichen HiFi-Lifestyle-Angebereien aus den heimischen Gefilden oder aus dem fernen Japan - mit typisch britischem 'Understatement', mit ziemlich großzügig anmutender Verarbeitungsqualität, häufig ausgesprochen zweifelhafter Bauteilqualität und zumindest teilweise ziemlich 'jämmerlichem' Design (die britischen Automobile waren da - abgesehen von der Oberklasse - sehr ähnlich...), ABER mit einem ganz deutlich hörbaren Schwerpunkt im Bereich der inneren Werte - es war schlichtweg nicht zu überhören, daß für so manchen britischen Hersteller das akustische Resultat am Verstärkerausgang im Zentrum des angepeilten Entwicklungsziels der Verstärkerelektronik stand...
Die Zuneigung bezog sich insbesondere auf die jenseits des üblichen Mainstreams liegenden Konzeptionen von Arthur Radford und Peter Walker - der enigma-line 4005 ist eine 'Hommage' an den Gründer der englischen 'Acoustical Manufacturing Company' Peter James Walker (1916-2003), dem Hersteller der zumindest in Insiderkreisen sehr bekannten Audiogeräte mit dem Markennamen QUAD ®, einem Acronym von "Quality Unit Amplified Domestic".

Walker war zusammen mit Michael Albinson der Entwickler der außergewöhnlichen Kult-Leistungsendstufe und hochdekorierten QUAD 405, die nicht nur mit einem Design-Preis ausgezeichnet wurde, sondern auch den begehrten 'Queens Award' für besondere herausragende technologische Leistungen verliehen bekam.
Es war der erste Quad-Verstärker mit einem besonderen Endstufen-Schaltungskonzept, das die Entwickler als "Current Dumping" bezeichneten: bis zu einigen wenigen Watt Ausgangsleistung liefert eine hochkarätige Kleinleistungs-Class-A Verstärkerschaltung den notwendigen Strom für die Ausgangslast. Jenseits einer bestimmten höheren Leistung sorgt dann eine Class-B-Leistungsendstufe (der 'Dumper'), in der zwei TO3-Transistoren im stabilen Metallgehäuse arbeiten, für den geforderten 'Dampf' - weder Ruhestromjustage, Transistor-Matching noch Temperaturstabilität der Endstufe ist hier von Belang. Das neuartige Prinzip wurde von späteren Quad-Leistungsverstärkern übernommen.

Rückansicht enigma-line 4005

Mit seiner soliden Konstruktion und ausgezeichneten Messwerten, seiner hohen Ausgangsleistung (2x100 Watt an 8 Ohm-Lautsprechern), seinem schnörkellosen, minimalistischen Design sowohl im Äußeren als auch im Inneren und seinen exzellenten klanglichen Qualitäten sorgte der Quad 405 in den siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts in der Audio-Szene für Furore - insbesondere Walkers euphemistische Anmerkung, der QUAD 405 "is only a piece of wire with gain"... - das wäre der sehnlichste Wunschtraum eines jeden seriösen (!) Audio-Engineers, die Gesetze der Physik lassen sich zugegebenermaßen zwar von jedem Voodoo-Elektroniker mühelos außer Kraft setzen, ein Peter Walker kann das offensichtlich nicht...
Von seiner Konzeption war der Quad 405 als Stereo-Leistungsendstufe für den Betrieb mit einem Quad33-Vorverstärker gedacht und hatte deswegen weder einen Netzschalter noch einen Lautstärkeregler - aufgrund der für die heutigen Line-Ausgänge von Hochpegelgeräten relativ hohen Eingangsempfindlichkeit (500mV für Vollaussteuerung...) benötigt das Gerät keinen Vorverstärker, ist somit eigentlich ein waschechter Vollverstärker.

Allen Vorbehalten zum Trotz: ein respektabler Verstärker mit typisch britischem 'Understatement' war und ist der 405 allemal - wie so manch anderer 'Geheimtipp' aus den HiFi-Schmieden der britischen Inseln (RADFORD ® gehörte auch dazu...) waren die Produkte aus dem Haus QUAD ein überaus angenehmer, individueller, sehr sympathisch-kultiger und kluger Kontrapunkt zum zwar hochwertig und blitzsauber verarbeiteten, aber eher protzig wirkenden Einheitsbrei der "Rolex ®-Verstärker" aus Japan wie z.B. Accuphase ®, Pioneer ®, Kenwood ®, Sony ®, Yamaha ®, Onkyo ® oder Sansui ®, deren Klangeigenschaften oft diametral zu ihrem äußeren Erscheinungsbild standen.
Sogar in der altehrwürdigen öffentlich-rechtlichen BBC taten eine ganze Reihe von Quad-405 bzw. den späteren Quad-510 bzw. Quad-520 Exemplaren im 19"-Rack unter den kritischen Ohren der Tonmeister Ihrer Majestät ihren Dienst - meine damaligen ESL57 wurden ebenfalls von einem 405 angetrieben, so toll war das Resultat leider nicht...

Leider war sowohl die Qualität als auch die großzügig-grenzwertige Dimensionierung so mancher Bauteile auf den beiden sehr dicht bestückten und damit sehr kompakten Platinen eines Original Quad-405 zum großen Teil vergleichsweise eher lausig, was leider auch nicht allzu selten typisch für so manche Erzeugnisse der britischen HiFi-Elektronikindustrie war und was mit zunehmender Betriebsdauer zu relativ häufigen Ausfällen des Verstärkers führte.
Macht man sich die Mühe und ersetzt entscheidende Originalbauteile der Quad-405-Elektronik durch aktuell gefertigte Bauteiltypen hoher Qualität, gehört das Gerät klanglich auch heute noch zur Elite-Klasse der HiFi-Leistungsverstärker und glänzt zudem mit wesentlich gesteigerter Zuverlässigkeit.
Es gab in den fünfziger bis siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts eigentlich nur zwei (!) elektronische Bauteilgruppen für die Audioelektronik (in der Hochfrequenz-Elektronik sieht die Sache völlig anders aus), deren Qualität derjenigen ihrer modernen Nachfahren eindeutig überlegen gewesen ist:
a) Es waren die mit jahrzehntelang gewachsenem Know-How gefertigten Elektronenröhren, die sich am Ende dieser Zeitspanne bereits schon auf dem Rückzug befanden.
b) Röhren haben im Gegensatz zu Transistoren einen hohen Ausgangswiderstand, der mit Audiotransformatoren auf gängige Lastimpedanzen heruntertransformiert werden muss. Die Qualität von hochwertigen Exemplaren des notwendigen und untrennbar mit der Röhrentechnologie verbundenen Audioübertragers (z.B. britische Partridge ®...) ist heute kaum mehr zu bekommen, das Wissen und das Können scheint in Vergessenheit geraten zu sein - die alten Allen Bradley Carbonwiderstände gehören nicht dazu, das war's dann schon.

Der 'Run' auf Vintage-Audioelektronikgeräte im ORIGINALZUSTAND und die Bereitschaft, für ein derartiges Stück richtig Geld zu mobilisieren, ist aus der Sicht des ambitionierten 'Sammlers' durchaus verständlich - für den kritischen Musikliebhaber und aktiven HiFi-Hörer ohne museale Ambitionen ist es bei mangelnder Sachkenntnis (!) eher ein Akt nostalgischer Verklärung. Ganz im Gegensatz zu den unbestreitbaren und völlig normalen klanglichen Reifungsvorgängen hochwertiger (!) Streichinstrumente, die sich über einen langfristigen Zeitraum hinziehen, werden elektronische Audiogerätschaften durch den unvermeidlichen und relativ flott ablaufenden Alterungsprozess diverser Bauteile mit zunehmender Betriebsdauer keineswegs besser, sondern durchwegs schlechter - wer glaubt, 25 Jahre alten und regelmäßig genutzten, thermisch durch Class-A-Betrieb hochbelasteten, unrestaurierten Elektronikplatinen eines ebenso alten Quad 405 ließe sich der vielfach gerühmte ultimative Sound entlocken, befindet sich entweder auf dem vielzitierten Holzweg oder ist ein Fall für einen kompetenten Otologen - oder auch beides zusammen...

Weder ist der enigma-line 53 ein Klon eines Mullard 5-10 ® noch ist der enigma-line 4005 ein Klon eines Quad 405 - im 4005-Verstärker sind hochwertige aktuelle Bauteile verbaut, er arbeitet mit einer geringfügig modifizierten Schaltungskonzeption, lässt sich - dank Alps-Lautstärkesteller und Microswitch-Netztaster - auch ohne ein Vorverstärkerteil verwenden und verlässt somit das typische, aber eher unpraktische QUAD 405-Endstufenkonzept.
Zum Kernbereich einer Modernisierung gehört u.a. der in den ersten Quad-405 eingesetzte Uralt-Eingangsoperationsverstärker LM301 des IC-Pioniers Bob Widlar von National Semiconductor ® - eine geringfügig veränderte Variante der allerersten OPV-ICs wie 709 und 741, die aufgrund ihrer nach heutigen Maßstäben bescheidenen technischen Datensituation aktuell für anspruchsvolle Audiozwecke indiskutabel geworden ist. Der LM301 war in den frühen siebziger Jahren "state of the art", er wurde in späteren 405-Modellen ab ca. 1978 durch einen damals hochmodernen Junction-FET TL071 von Texas Instruments ® ersetzt.
Allein der Einsatz eines High-Performance OPV der späten 90iger Jahre aus der Soundplus-Serie wie z.B. einem OPA134 von TI/BB oder eines noch moderneren AD8610 von Analog Devices ®, der mit seinem SMD SO8-Gehäuse für eine DIL8-Fassung adaptiert werden muss, sorgt für einen ganz deutlich verbesserten musikalischen Auftritt und enorme Rauscharmut. Zusätzliche 'flankierende' Maßnahmen - das World-Wide-Web ist eine Fundgrube für Vorschläge in dieser Richtung - liefern weitere klangliche Vorteile wie Präzision und Detailauflösung, wobei ein Großteil davon aus meiner Sicht auf das Konto der superschnellen FET-Eingangsstufen der OPVs geht, Peter Walker hätte sicher seine helle Freude daran gehabt...

Der enigma-line 4005 mit externem Netzteilmodul


Zum Kernbereich einer angemessenen Aktualisierung gehört ebenfalls eine Modernisierung der serienmäßigen 'Clamp-Circuit' des 405-2, bei der ab einem definierten DC-Offset-Schwellenwert eine ziemlich 'brachiale' Crowbar-Schaltung (Crowbar=Brecheisen) mit einem SBS (Silicon Bilateral Switch - ein Halbleiterelement ähnlich einem DIAC, aber mit wesentlich niedrigerer Durchbruchspannung und einer Gate-Elektrode) ein TRIAC gezündet wird, der die Lautsprecherausgänge kurzschließt. In der Folge verabschieden sich die beiden für die Stromversorgung zuständigen ±Rail-Feinsicherungen - ein RESET ist nicht möglich, die Feinsicherungen müssen ausgetauscht werden, ein üblicherweise verwendetes Schutzrelais ist obsolet.
Das Gerät benötigt trotzdem dringend eine aktuellere und zuverlässig reagierende DC-Offset-Schutzschaltung zusammen mit einer wirksamen Impulsunterdrückung (Einschaltverzögerung), die den komplett gleichspannungsgekoppelten Verstärker bei auftretenden unzulässigen Gleichspannungen und Spannungsspitzen beim Ein- und Ausschaltvorgang mit einem Relais von den wertvollen Lautsprecherspulen trennt.
Die Achillesferse des originalen Quad-405 ist jedoch das riesige Netzteil: der große und notwendigerweise schwere 300VA Transformator im relativ kompakten 405-Gehäuse wurde durch Qualitätsmängel des Trafoblechpakets im Laufe langer Betriebsjahre durch eine allmählich zunehmende mechanische Brummneigung für viele Besitzer des Verstärkers zum großen Ärgernis - im enigma-line 4005 werkelt hingegen eine relaisgesteuerte Split-PSU, bei dem zwei brummarme Ringkerntransformatoren mitsamt Elektronikteil für die symmetrische Versorgungsspannung zuständig sind, da ist nicht nur Ruhe im Karton, die üppig dimensionierte Stromversorgung stellt obendrein einen souveränen Auftritt und ein wesentlich erweitertes musikalisches Potential des Geräts sicher.

Die Split-PSU beansprucht eine Menge Platz im Innern des Verstärkers - in einem weiteren Entwicklungsschritt wurde deshalb nach typischer enigma-line Manier das Netzteil in einem zweiten Gehäuse vom Verstärkermodul getrennt...

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